Drucken

02. April 2014

Medikamentenpreise im Gesamtbild betrachten

Der Preisüberwacher überwacht Preise. Und das macht er gut. Aber sein Stellenprofil ist unvollständig. Denn wie so oft, ist gut gemeint nicht gut genug. Wenn der Preisüberwacher nur die Kosten für Medikamente in der Schweiz betrachtet, handelt er wie Eltern, die ihre ganze Erziehung auf das Anliegen beschränken, dass ihre Kinder saubere Fingernägel haben. Ob die Kinder wachsen und etwas lernen, ist ihnen egal. Dem Preisüberwacher muss im Zusammenhang mit Medikamenten alles egal sein, ausser, wie viel diese kosten. Egal, wie hoch die gesamten Krankheitskosten sind, egal, wie die volkswirtschaftliche Bilanz ausfällt und egal, welchen Beitrag Medikamente zur Weltgesundheit leisten.

 

Es ist also wie so oft eine Frage der Systemgrenze, innerhalb welcher man seine Überlegungen anstellt. Oder salopp ausgedrückt, wie weit man über die Nasenspitze hinaus denkt.

 

Betrachten wir als erstes die Gesamtheit der Gesundheitsausgaben, also die medizinischen Kosten in der Schweiz. Nebst den Kosten für ärztliche Leistungen und Pflege tragen Medikamente in der Schweiz weniger als zehn Prozent zu diesen Gesundheitskosten bei. Tendenz stark sinkend und viel weniger als in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien oder den USA. Trotzdem kann man in dieser engen Betrachtungsweise argumentieren, dass tiefere Medikamentenpreise die Gesundheitskosten in der Schweiz sinken liessen.

 

Aber schon in einer etwas breiteren Betrachtung der gesamten Krankheitskosten fällt die Bilanz ganz anders aus. Zählen wir nämlich dazu, welcher Schaden durch indirekte Kosten wie Arbeitsausfälle entsteht, erkennen wir, dass sich Gesundheitsausgaben rechnen können. Zwei Studien aus den USA haben kürzlich gezeigt, dass der gesamtwirtschaftliche Nutzen die dafür aufgewendeten Gesundheitsausgaben um das anderthalb- bis zweifache übersteigt. Wir dürfen also festhalten, dass sich Gesundheitsausgaben wirtschaftlich lohnen können. Und Länder, in denen sich höhere Preise erzielen lassen, werden früher mit innovativen Medikamenten bedient als solche mit strengen Preisregulierungen.

 

Zu dieser bereits positiven Bilanz darf der volkswirtschaftliche Nutzen gerechnet werden, der unserem Land durch die langfristige Sicherung der heimischen Forschungstätigkeit entsteht. Man denke nur schon an die Investitionen und Arbeitsplätze in der Region Basel. Länder wie die USA oder Singapur haben dies längst erkannt, während die Schweiz und Deutschland mit ihrer Preispolitik weiterhin auf die kurzfristige Senkung der Gesundheitsausgaben setzen. Weil das Ausland Medikamentenpreise – und damit den Umsatz unserer Pharmafirmen – auf den Vergleich mit den Preisen in der Schweiz abstützt, können wir uns dies zu Nutze machen. Umgekehrt kostet uns jeder Franken, den wir durch das Durchsetzen tieferer Medikamentenpreise im Inland sparen, ein Mehrfaches an Volkseinkommen.

Restriktive Regulierungen in grossen Ländern wie den USA könnten die Forschungsanstrengungen so stark reduzieren, dass ein negativer Einfluss auf die weltweite, durchschnittliche Lebenserwartung entsteht. Die Schweiz als kleines Land hat hier weniger Einfluss und kann als Trittbrettfahrerin von der Forschung in anderen Ländern profitieren. Setzen wir unser Systemgrenze aber global – wie wir das in anderen Bereichen bewusst tun – dann müssen wir unsere Verantwortung für eine weltweit bessere medizinische Versorgung und höhere Lebensqualität vieler Menschen auch hier wahrnehmen. Wieso sollten wir das gerade in der Gesundheitsversorgung nicht tun, in einem Bereich also, wo wir schon heute unbestrittenermassen eine führende Rolle einnehmen? Regulierungen in der Schweiz müssen unserer forschenden Industrie ermöglichen, einen möglichst grossen Beitrag zur Weltgesundheit zu leisten. Das ist eine moralische Verpflichtung.

 

Wir dürfen unserem Denken keine kurzsichtigen Grenzen auferlegen. Der Preisüberwacher muss, was die Gesundheitsversorgung anbelangt, mindestens zum Kostenüberwacher umfunktioniert werden. Dann wird er auch den nationalen und globalen Wert unserer Pharmaindustrie verstehen und verteidigen.

Dr. Franz A. Saladin
Direktor

Themen

Life Sciences

Artikel teilen

per E-Mail weiterleiten

Das könnte Sie auch interessieren